Weniger hart kann man es nicht formulieren, was Liliput sich da geleistet hat. Wir erinnern uns: Messe 2010, Jubel, Trubel, noch’n Sprudel: Liliput kündigt eine 56.2 (pr G 8.1 mit Laufachse) an! Kaum gute drei Jahrzehnte, nachdem Michael Meinhold und Stefan Carstens in der Miba flammende Plädoyers für diese unscheinbare kleine Lok schrieben, soll es tatsächlich schon ein Großserienmodell davon geben! Auch in meinem damaligen Messebericht, und auch in dem von Frank, war die Freude zu spüren.
Gut, dauerte alles etwas länger … nicht schlimm, auf die paar Jahre kam es ja nun auch nicht mehr an. Das Messemuster, wenngleich erkennbar auf der Fleischmann-55.25 (G 8.1) basierend, sah ja gut aus:
Bildquelle: Modellbahnshop Lippe
Der Schock kam dann neulich, als es Messemuster aus Produktionsteilen zu sehen gab. Ich will das ganze Zeug hier jetzt nicht aufrollen (wer mag, kann ja die Riesenthreads dazu bei DSO und Stummi nachlesen), das Ergebnis ist jedenfalls: Das Modell bekommt entgegen der Ankündigung Lok- statt Tenderantrieb, und um den (oder was auch immer) zu tarnen, entfällt der freie Durchblick zwischen Kessel und Rahmen. Stattdessen kommt wie bei der Piko-Hobby-55 (G 7.1) ein “Betonsockel” zum Einsatz, ein rechteckiger Kasten da, wo das Vorbild und das Messemuster eine Kesselrundung haben. Im Bild zu erkennen oberhalb des Umlaufs, reicht etwa vom ersten bis zum zweiten Dom:
Bildquelle: Liliput-Homepage vom 23.10.2011
Und als sei das nicht genug, fehlt auch das Rahmenende hinter der letzten Kuppelachse.
Das Krudeste an der ganzen Geschichte ist aber die offizielle Stellungnahme von Liliput, zitiert nach einem DSO-Posting:
Wie bei allen Liliput Loks, war auch für die Lok der Baureihe 56 die Vorgabe, dass sie der aktuellen und zeitgemäßen digitalen Technik von heute entspricht. Aus diesem Grund war es wichtig, den Einbau von Sound/Lautsprechern in der Lok zu gewährleisten. Das wiederum bedingt, dass die Digitaltechnik benutzerfreundlich eingebaut ist. Dieses konnte nur durch den Einbau der Technik in den Tender gewährleistet werden, so dass der Antrieb der Lok in den Kessel wandern mußte. Der Motor wiederum muß durch die Seitenwände kaschiert werden, damit dieser verdeckt eingebaut werden kann.
Im vorderen Bereich der Lok ist ein vorbildgerechter Durchblick gewährleistet.
Mit anderen Worten: Wegen Sound “muß” der Digitalkram in den Tender, also “muß” der Antrieb in die Lok. Okay … wenn ich auch nicht einseh, was an einem lärmenden Tender vorbildgerecht sein soll, meinetwegen. Aber warum “muß” der Antrieb dann durch die Seitenwände kaschiert werden? Angetriebene Lokomotiven kriegt doch sogar Märklin seit Jahrzehnten ohne so einen Mist zustande (und seit nicht ganz so langer Zeit auch ohne Kesselbeulen)! Vermutlich hat der fest eingeplante kastenförmige chinesische Billigmotor nicht in den Kessel gepaßt …
Naja, egal. Vermuten kann man viel, eine Gewißheit bleibt: Das Warten auf eine ordentliche 56.2 geht weiter.
Nun wollte ich mich damit nicht abfinden und verpackte darob meine Kritik an Liliputs Adresse in folgender netter Mail:
Liebe Firma Liliput!
Da Sie sich ja, wie ich zu meinem Bedauern diversen Threads in den Webforen von Drehscheibe Online und Stummi entnehmen muß, dazu entschieden haben, das angekündigte Modell der Baureihe 56.2 entgegen der damaligen Versprechungen mit Lok- statt Tenderantrieb (der allein nicht das Problem wäre) und einer absolut indiskutablen Verkleidung (in den Foren sog. “Betonsockel”) unter dem Kessel zu versauen, hier meine Anfrage:
Wäre es u.U. möglich, das damals gezeigte und z.B. hier [Link zum Bild des Messemusters wie oben] noch zu bewundernde, offensichtlich auf Fleischmann-Basis umgebaute Messemuster ohne diese entstellende Veränderung käuflich zu erwerben? Das würde mir einiges an Arbeit ersparen auf dem Weg zu einem brauchbaren Modell dieser Baureihe.
Leider hat der Mailantwortsklave dort indes offenbar nicht bemerkt, daß ich das Serienmodell nicht haben mag:
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Wie Sie selbst schreiben, handelt es sich hier lediglich um ein Messemuster, das natürlich unverkäuflich ist. Auf unserer Homepage haben wir ein Vorserienbild der Lok abgebildet
[Link zum Bild der Vorserienlok wie oben. Fehlende Zeichensetzung von Liliput, nicht von mir.]
Und so bleibt mir nur, vielleicht doch mal selber zu beginnen, eine Fleischmann-55.25 zu einer 56.2 umzufrokeln. Tobias Meyer hat da schon beachtliche Fortschritte erzielt, insofern sollte ich das eigentlich auch zustandebringen (ohne mich jetzt mit ihm vergleichen zu wollen). Und wer weiß? Bisher war ein begonnener Lokumbau von mir ein durchaus taugliches Mittel, um ein Großserienmodell derselben Baureihe herbeizuhexen.
Jedenfalls gibt’s ab jetzt schon mal die Baureihe 56.2 als Kategorie hier. Unser Mitautor Erik hat da ja auch die Tage was zu zu berichten, gell? :-)
Update: Ein neues Foto auf der Liliput-Homepage, auf dem man den “Betonsockel” nicht mehr so deutlich erkennen kann und sogar ein klein wenig Durchblick zwischen Rahmen und Kessel im vorderen Bereich auszumachen ist, soll wohl die Wogen glätten. Man gut, daß das alte oben in diesem Artikel auch auf diesem Server hier liegt! Und das neue ist auch nicht eben schmeichelhaft, aber seht selbst:
Bildquelle: Liliput-Homepage am 27.10.2011
Das fehlende Rahmenende unter dem Führerhaus ist ja wohl völlig indiskutabel, und die Lok-Tender-Kupplung … was ist da denn passiert? Soll man an der einen Zentner Kohlen aufhängen können?
Nee nee, Liliput, diese Lok ist in der vorgestellten Form wirklich ein Griff ins Klo. Ich an Eurer Stelle würde ein paar unfähige Leute rauswerfen, den Erscheinungstermin um ein weiteres Jahr verschieben und das nochmal ordentlich machen. So gewinnt Ihr jedenfalls keinen Blumentopf.