Es gab ja lange Zeit, wenn’s um zweiachsige Leichtbaukesselwagen der Kriegsjahre ging, nur den Klein-Modellbahn-Wagen, schön einmal mit durchgehendem Rahmen als “Bauart Uerdingen” und einmal wie im Bild mit freitragendem Kessel als “Bauart Deutz”. Alles fein, alles gut.

* Hey, Pseudokrupp gibt’s doch auch (von Brawa ;-)
Alles falsch. Das gezeigte Modell ist weder ein Deutz noch die Variante mit durchgehendem Rahmen ein Uerdinger. Trotzdem kann man da noch was Sinnvolles draus bauen. Aber erstmal möchte ich Euch zwei der aktuellen Modelle dieser Wagenbauarten vorstellen — und ihren Vorläufer als Zugabe gleich mit.
Vernünftig: 22 m³ (geschweißt) von Brawa

Den kennt Ihr schon. Also jetzt nicht von dieser Website, wir sind ja meistens etwas langsamer *hust*, aber das Modell gibt es schon ein paar Jährchen, und es ist immer noch genauso toll wie damals. Mittlerweile ist es aber auch öfter mal billig — der VTG-Wagen im Bild hat keine 20 € gekostet, neu im Angebot beim Händler übern Tresen, nix Versand! Und spätestens dafür, aber eigentlich auch zu den vergleichsweise moderaten Straßenpreisen von meist unter 30 €, ist das eine sehr vernünftige Anschaffung.
Es gibt dann übrigens auch noch geschweißte Kesselwagen dieser Bauartfamilie bei Liliput, erfreulicherweise aber andere Vorbildvarianten als den Brawa-Wagen: Kessel mit 20 m³ und 26,7 m³ Inhalt (letzterer war übrigens der häufigste) und auch einen wunderschönen, beim Vorbild aber raren Dreikammerwagen.
Soviel zu den “klassischen” Vorgängern der eigentlich hier zu zeigenden Modelle, denn nun kommen wir zu den vom Vorbild her m.E. interessanteren Leichtbauwagen. Davon gab es nämlich nicht nur zwei Sorten, eben Deutz und Uerdingen, sondern drei. Und so geht*’s hier jetzt aus dramaturgischen Gründen auch nicht mit den Bauarten chronologisch weiter, das bleibt der endgültigen Version dieses Artikels auf der Website vorbehalten — Fortsetzung folgt.
Teuer: 24 m³ (Einheitsbauart) von Exact Train
Exact Train hat ja seinem Namen anfangs … nicht nur Ehre gemacht. Aber ich muß anerkennen, sie haben sich gebessert. Und da so ein Kesselwagen keine Bretterfugen hat …

… hab ich an dem auch nicht viel zu meckern. Der eine Kritikpunkt sind die Bremsfangbänder, das sind diese komischen Schlaufen unter den Bremsbacken. Sie dienen beim Vorbild dazu, abfallende Teile davor zu bewahren, gleich Zugunglücke durch Entgleisung zu verursachen. Das könnten sie allerdings kaum, wenn sie so weit unten hingen wie im Modell. Also weg damit: achtmal mit der Flachzange gerupft, schon sieht’s glaubhafter aus.

Der entbremsfanggebänderte Wagen hat auch kein Bremserhaus mehr, und zwar aus epochalen Gründen — er soll nämlich in den 60er Jahren bei Frala leben und nicht 1955 bei Ermel wie der noch naturbelassene. Außerdem ist, wie ein Maßvergleich von Andreas B im Projekte-Lokbahnhof-Forum ergab, das “Exact”-Train-Bremserhaus eh zu hoch, da man offensichtlich den Aufwand zum Nachbau der verschieden hohen Bühnengeländer bei Wagen mit und ohne Bremserhaus scheute. Schwacher Trost: Fralas Wagen ist also jetzt richtig, meiner nicht ;-)

Das mit der Bremserbühne ist jetzt nix, was groß zu erklären wäre, bis auf die Kurbel aus Draht. Bremsfangbänder haben die anderen paar hundert Wagen in meinem Bestand auch keine, und da ich die dort nicht anbringen werde, kann ich ihr Fehlen auch hier verschmerzen.
Sonst ist der Exact-Train-Wagen aber schon ein sehr erfreuliches Modell, wenn auch leider mit Listenpreis knapp 50 € eindeutig viel zu teuer. Einer mußte trotzdem her — der Rest kommt irgendwann hoffentlich aus dem Ramsch.
Geil: 30 m³ (Bauart Deutz) von ESU/Pullman

Das in meinen Augen interessanteste Vorbild hier ist natürlich der Deutz mit seinem zwischen den Rahmenteilen mit den Achshaltern freitragendem Kessel. Und wenn man das Foto mit dem Bild des KMB-Pseudodeutz vom Artikelanfang vergleicht, stellt man fest: Es reicht halt nicht, ein Stück Rahmen wegzulassen, um einen Deutzkesselwagen zu bauen. Die Rahmenenden bauen deutlich höher als bei der Einheitsbauart. Das und auch alles andere hat ESU (die den Wagen unter der Marke Pullman vertreiben) super hingekriegt, so daß der Wagen mit Listenpreisen um 35 € durchaus nicht billig, aber noch preiswert ist — denn er ist nun mal geil!
Und was ist jetzt mit Uerdingen?
Die Uerdinger Bauart ist quasi der Vorgänger der Einheitsbauart, von dieser zu unterscheiden am deutlich flacheren Rahmen. Hier ein Bild des seit Veröffentlichung dieses Artikels ausgelieferten Modells von Exact Train, dankenswerterweise zugeliefert von Timo:

Als Exact Train seine Leichtbaukesselwagen angekündigt hat, hieß es, es würden beides Uerdinger werden. Diese Aussage wurde ein bißchen stirnrunzelig, als durchsickerte, daß es zwei verschiedene Kesselgrößen, 24 und 30 m³, geben werde — das gab’s nämlich beim Uerdinger Vorbild nicht. Als dann der 24 m³-Wagen rauskam (s.o.), Erleichterung: es war ein Einheitswagen und als solcher völlig korrekt. Wohl also die übliche Sprachverwirrung, auch Klein Modellbahn hatte ja seinen Einheitswagen (s.u.) fälschlich als Uerdinger bezeichnet. Kämen also nun beide Einheitswagen von Exact Train. Schön!
Und dann kam von Brawa die Ankündigung des 30 m³-Uerdingers. Noch schöner! Alles komplett! Yippie!
Und dann kam das Handmusterbild des 30 m³-Wagens von Exact Train. Und es zeigte — einen 30 m³-Uerdinger. What the fuck?! Die bauen tatsächlich statt zweier Varianten derselben Konstruktion, halt nur mit verschiedenen Kesseln, zwei komplett verschiedene Wagen! Und der, den sie als zweites bauen, wird dann auch noch eine Doppelentwicklung mit einem anderen neuangekündigten Modell.
Seufz.
Meinen Erfahrungen mit Kesselwägen beider Hersteller nach wird der Uerdinger von Exact Train wohl kein Bombenerfolg werden. Mein Favorit jedenfalls ist Brawa — nicht nur, aber auch wegen der zu erwartenden Preise. Das auch beim Uerdinger zu hohe Bremserhaus des “Exact”-Train-Wagens ist ein weiteres Argument für Brawa.
Und wo kriegen wir jetzt 30 m³-Einheitswagen her?
Erstens mal brauchen wir die gar nicht so dringend, denn im Gegensatz zu allen gezeigten Bauarten, deren Stückzahlen im vierstelligen Bereich lagen, gab es vom großen Einheitswagen grad mal 180 Exemplare. Und zweitens gibt’s den ja schon — siehe ganz oben, falls sich noch wer erinnert. Klein Modellbahn hat nämlich einen für die damalige Zeit durchaus sehr ordentlichen 30 m³-Einheitswagen gebaut, nur haben sie ihn halt als Uerdinger verkauft. Macht nix! Und für die Handvoll Exemplare, die man davon angesichts der Vorbildstückzahl höchstens braucht, kann man ja auch mal etwas mehr Frokelarbeit investieren, um sie in die Nähe des Standes der neueren Modelle zu bringen.
Übrigens lohnt sich das Investieren der Frokelarbeit auch in die KMB-Pseudodeutzens. Denn das Stück fehlenden Rahmens da reinzuflicken, ist dann auch keine Raketentechnik mehr. Und so wird dann am Ende doch wieder alles gut und alle glücklich.
Hach. Ich freu mich :-)
Es hätte eine unterhaltsame Übersicht werden können – hätte… Hör doch mal auf ständig festlegen zu wollen, was wie viel kosten darf und was “viel zu teuer” ist… Ja Modelleisenbahn ist ein teures Hobby und ja, es wird teurer, für manche auch zu teuer… Das liegt aber bestimmt nicht daran, dass Hersteller extrem überzogen kalkulieren, um sich Villa, Jacht und Porsche zu leisten – das andererseits niemand am Hungertuch nagen will, sollte auch verständlich sein. Und ja, es gibt unterschiedliche Firmenstrukturen, die auch Auswirkungen auf die Preiskalkulation haben.
Nee, sorry — wenn vergleichbar gute Modelle vergleichbarer Vorbilder sich um weit über 100% im Preis unterscheiden, dann darf ich auch die Preise vergleichen. Es wird ja niemand gezwungen, sich an meine Einschätzung zu halten. Ich bin nicht die Fachpresse, hier muß keine Ausgewogenheit herrschen und keine Rücksicht auf die Industrie genommen werden — wer hier schreibt, schreibt seine Meinung. (Auch wenn sie von meiner abweicht übrigens.)
Hallo ermel,
auch wenn es Modellbahner gibt, die anscheinend nicht auf das Geld schauen müssen (ich muss auch nicht die “Mark” umdrehen), finde ich es richtig, wenn du doch die gravierenden Preisunterschiede ansprichst, zumal alle neuen Modelle nach einer zuverlässigen Quelle in China gefertigt werden und im Einkauf ungefähr bei 10 Euro liegen sollen.
Es ist gut so, wenn auch weniger “betuchte” Modellbahner sich nach Recherche einen gut bewerteten Kesselwagen für relativ wenig Geld kaufen können
Axel Hartmann.
Danke für den Zuspruch! Ich werde auch weiterhin mit meiner Meinung zu den Preisen nicht hinter dem Berg halten. Für mich gehört das zu einer Modellbesprechung einfach dazu — das Preis-Leistungs-Verhältnis ist ein wesentliches Kriterium, denn teuer und perfekt kann sogar Exact-Train inzwischen … :-)
Hallo Ermel,
Das kein ganz toller Beitrag, vielen Dank dafür. Mich würde noch interessieren von wann bis wann die genannten Fahrzeuge im Einsatz waren, bzw. noch sind?
Ich mag besonders zweiachsige Chemie-Kesselwagen und gehe mal davon aus, dass das Schmale Modellbahn Angebot mit Deinem Beitrag abschließend behandelt ist, oder gibt es da noch etwas einigermaßen vorbildgerechtes?
Vielen Dank,
Michael
Das müßte ich auch erst im Carstens nachlesen, aber wenn ich mal unverbindlich raten darf: bis in die 1980er Jahre. Zu Chemiekesselwagen gibt es noch keinen Carstens (angekündigt ist er aber), aber die interessieren mich eh weniger, denn ich sehe meine Fahrzeugbeschaffungen vorwiegend vorm Fremo-Hintergrund, und da ist ein Kesselwagen voll Heizöl für die Ladestraße von Kleinkleckersdorf nun mal eine viel häufigere Frachtanforderung als ein Kesselwagen voll $SCHÄDIKALIE für $CHEMIEFABRIK. Deswegen kuck ich beim Kesselwagenkauf als erstes auf die Ladegutanschrift. Wenn da “Brennbare Flüssigkeiten” oder Vergleichbares steht, dann ist das gut. :-)
Hallo Michael,
Einsatzzeit bis:
– Uerdinger 30m³ bis 1999
– Deutz bis 1992
– Einheits. 24m³ bis 2000
– Einheits. 30m³ bis 1999
– 22m³ geschweißter Kessel bis 2000 (BRAWA)
Viele Grüße Norbert
Hach, ist das schön, wenn man fleißige Leser hat, die einem Arbeit abnehmen! Vielen Dank, Norbert!
Liebe Grüße, Ermel.
Naja, der Preis ist (auch) ein Kaufargument… wenn der ExTrain Einheitswagen so viel (wenig) kosten würde wie der Brawa 22er Austausch, dann wären davon mehr in meinem Bestand und ich hätte mir nicht das Doppelpack mit Ermel geteilt!
Aber berichtigt sind die Preisunterschiede doch nicht ganz so heftig, der Brawa 22m3 ist Liste so bei was über 30 Euro, wenn er nicht gerade im Angebot in der Vitrine liegt… der ExTrain so bei 50… naja, für mich sind auch 20 Euro unterschied schon erwähnenswert, wenn die Vorbildgetreue und die Detailierung vergleichbar gut sind! (die Fangbänder hätten m.M.auch nicht mal 5Euro Mehrkosten gerechtfertigt, zumal die ja jetzt auch ab sind!)
Deswegen werden bei meinen Güterzügen wohl noch weiter überwiegend 22erAustauschkesselwagen von Brawa eingestellt…
Und die kommenden 30 m³-Uerdinger natürlich. Auch wenn die vermutlich zumindest anfangs nicht ganz so günstig sein werden …
Also , unter40€ beim Händler des Vertrauens find ich für nen tollen Uerdinger von Brawa nicht zu teuer als Neuheit! Leider war noch keine für mich interessante Variante vorhanden!