Die ungeahnten Tiefen von Ludwigshafen

Die Firma Piko hat ja schon Jahrzehnte vor der Wende der westlichen Modellbahn-Industrie gezeigt, wo der Hammer hängt. Nein, nicht mit ihrer legendären Antriebstechnik, ihren serienmäßig gefederten Gummipuffern oder ihren immerhin meist ungefähr runden Radsätzen — da konnte der Westen durchaus mithalten, selbst in seinen schwächeren Momenten *hust*Lima*hust* –, sondern bei der Gestaltung von Güterwagen-Aufbauten.

Schon 1959 entstand dort das Modell des Om Essen/Breslau (DB Om 12) der zweiten, dem späteren Om Königsberg (Om 21) ähnlichen Bauform, in einer Qualität der Gravuren, die auch heute noch entspannt mithalten kann. Bis auf die Bretterfugen: die sind bei dem alten Piko-Wagen von einer Qualität, die es heute so nirgends mehr gibt. Da es auch sonst nach nunmehr 58 Jahren (!) kein besseres Modell dieses Vorbilds gibt, nur Rocos vorbildwidrig verlängerten und mit Brettergräben versehenen Piko-Nachbau (!) aus der Einfachserie, ist das Grund genug, sich mal wieder mit den ollen Piko-Wagen zu beschäftigen.

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Für den Anfang allerdings nicht mit dem Om 12, sondern mit dem gezeigten Om Ludwigshafen (Om 04). Das ist beim Vorbild der Vor-Vorgänger quasi, der Kokswagen der preußischen Länderbauart. Im Modell scheint Piko leider die Om-12-Form in diese umgebaut zu haben, zumindest habe ich noch nie einen Piko-Nachwende-Om 12 gesehen — die ersten Ludwigshafen kamen noch vor der Wende, in preußischer Beschriftung, auf den Markt. Und auch die Bretterfugen sind bei diesem Modell — und den anderen Überarbeitungen in dieser Zeit — leider nur noch Durchschnitt. Aber was soll’s, Durchschnitt ist ja genug, und Om 04 ohne Verstärkungsstreben hat sonst auch keiner.

Diese Modelle — und auch die anderen offenen Piko-Wagen aus Vorwendezeiten, also Omm 33 (Villach), Omm 34 (Klagenfurt), Omm 39 (Duisburg), Omm 42/43/44/49 (UIC-Umbau Linz/Villach/Klagenfurt/Duisburg), Ommp 50 (ex SAAR Ommpu 49), italienische L, Schweizer L6 und L7 und auch der R 10 (Stuttgart) — haben leider alle dasselbe optische Problem: einen viel zu hoch liegenden Wagenboden, unter dem sich das großzügig bemessene Blechgewicht versteckt. Das muß alles ersatzlos weg! Tarnen hat keinen Zweck, es sei denn, man klebt eine bodenbedeckende Ladung ein, aber wer will das schon? Wir beim Fremo jedenfalls nicht.

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Das Raussägen ist dann auch gar nicht so der Akt. Kreissägeblatt in die Kleinbohrmaschine und von unten, die Seiten-/Stirnwand mit dem Sägeblatt berührend, möglichst einigermaßen senkrecht nach oben durchschneiden. In die Ecken kommt man so natürlich nicht, aber wenn alle vier Wände vom Boden abgesägt sind, kann man den Boden relativ gefahrlos herausbrechen — wer sich nicht traut, kann auch ein Bohrloch in jede Ecke setzen. Es folgt eine kleine Feilorgie, mindestens bis man die Sägespuren an den Wänden nicht mehr sieht; wer mag, kann sie freilich auch noch dünner feilen, ich hab es dann gut sein lassen.

Wagenboden und Gewicht entstehen wieder aus Modellbahnfroklers Allheilmittel: Bleiblech. Bei meinem Wagen 0,5 mm, aber 1,0 wäre eigentlich besser. Das kommt direkt aufs Fahrwerk, mit Außenmaßen gleich den Wagenkasteninnenmaßen und mit eingeritzten Bretterfugen. Der Wagenkasten liegt mit den Stirnwänden auf den Pufferbohlen auf, eine stabile Verklebung ist also kein Problem.

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Naja, der Kenner hat’s bemerkt: meines Wagens Chassis stammt nicht von Piko, sondern von Fleischmann (vom Om 12). Grund dafür ist, daß mein Modell ein Nachwende-Exemplar ist und deswegen diese unsäglich klobigen Austauschbau-Achshalter hatte, mit denen sie es nach der Wende verschlimmbessern mußten. Das alte Piko-Chassis, rechts im Bild, ist zwar auch nicht gerade ein modellbauerisches Kabinettstückchen, aber, wie das Bild zeigt, auch nicht höher oder wesentlich breiter als das von GFN und darob durchaus zu gebrauchen — auch und gerade für den Om Ludwigshafen, den man dann allerdings wegen der schmaleren Federpakete vielleicht eher als Oc Münster (DB Oc 01, aber davon gab’s nur noch homöopathische Stückzahlen) beschriften sollte. Dafür erlaubt das Piko-Fahrwerk mit seinen Blech-Achshalterbrücken aber den einfachen Umbau auf Fachwerkachshalter.

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Aber für den 20-Tonner, also den Om, ist das GFN-Fahrwerk schon prima. Und es paßt auch wirklich schön unter den Piko-Wagenkasten, auch alle Kastenstützen sind da, wo sie hingehören. Wenn zwei das Gleiche tun, kommt eben doch was hinreichend Ähnliches bei raus, wenn beide ihre Arbeit gut machen :-)

Was zu tun bleibt, ist Kosmetik: Eck- und Stirngriffe am Wagenkasten (hat bei meinem der Vorbesitzer schon erledigt — hallo Friedel! ;-) ), Signalhalter, die Kastenstütze unter der Tür, der Tritt dortselbst zur Türbetätigung, mehr ist das gar nicht. Und das fertige Modell wird dann auch nicht mehr als alter Piko-Wagen auffallen, denn sein Laderaum ist sogar ein wenig tiefer als bei guten Großserienmodellen neuerer Machart.

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Die Modelle sind leider, wie ich feststellen mußte, längst nicht mehr so billig gebraucht zu ergattern wie noch vor fünf Jahren, als ich mich blöderweise nicht mit einem Lebensvorrat eingedeckt habe. Aber sei’s drum — für einstelliges Geld sind sie immer noch nicht zu teuer, wenn man das Stündchen Frokelei nicht scheut und die richtigen Vorbildtypen nimmt. An erster Stelle natürlich den Om 12, aber auch für Omm 34, Omm 39 und Ommp 50 lohnt sich der Aufwand auf jeden Fall!

Nachtrag im April 2021: Das mit den “leider unmaßstäblichen” Schweizer L6 und L7, wie es hier bislang zu lesen war, nehme ich zurück.  Auf Drehscheibe-Online-Forum gibt es einen schönen Bericht von Harald Sydow zum L6 mit ausführlichen Vorbildfotos und einem gelungenen Modellumbau, dem alles Weitere zu entnehmen ist.  Zum L7 vermag ich indes noch nix weiter zu sagen.

One Reply to “Die ungeahnten Tiefen von Ludwigshafen”

  1. Hallo Ermel,

    dem gleichartigen Ersatz des Bodens beim Omm 39 von Piko kann ich nur zustimmen. Er ist relativ schnell und einfach gemacht – im Vergleich zum Bohren und Anbringen der unzähligen Griffe in den Seitenklappen. Allerdings habe ich auf das Bleiblech eine ziemlich dünne Polystyrolplatte mit entsprechend gravierten Bohlen geklebt, da ich unnötigen Kontakt mit dem Blei verhindern möchte.

    Schöne Grüße
    Lars

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